„Begleitete Elternschaft“

Angebot bietet Unterstützung und Hilfe für Eltern mit Beeinträchtigungen
Das Angebot "Begleitete Elternschaft" bietet Unterstützung
Ines Lindel, Gruppenleitung „Begleitete Elternschaft“, unterstützt junge Mütter mit Beeinträchtigungen und gibt Hilfestellungen im Alltag. Foto: KJF Augsburg / Iris Egger
7. November 2022

Nicht allein zu sein, ist ein Grundbedürfnis. Auch Menschen mit Beeinträchtigungen wünschen sich Freundschaft und Partnerschaft, Liebe und Sexualität oder eine eigene Familie mit Kindern. Und sie wünschen sich Autonomie. „Wie und wann kann ich denn mit meinem Kind selbständig als Familie leben?“ – Diese Frage stellte eine junge Mutter mit einer psychischen Erkrankung und einer Lernbehinderung, die schon seit zwei Jahren mit einem hohen Betreuungsbedarf in einer Mutter-Kind-Einrichtung in Offingen, die zum KJF Berufsbildungs- und Jugendhilfezentrums Sankt Nikolaus in Dürrlauingen (KJF BBJZ Sankt Nikolaus) gehört, wohnte.

Ausbau des Unterstützungsangebots

Obwohl das Grundrecht auf Eheschließung und eigene Familiengründung für Menschen mit Behinderung ausdrücklich durch die UN-Behindertenrechtskonvention geschützt ist, gab es bislang wenig vergleichbare Unterstützungsangebote in Bayern. Deshalb hat sich das KJF BBJZ Sankt Nikolaus im Jahr 2020 diesem wichtigen Thema angenommen. Der Fachbereich „Wohnen/Tagesbetreuung/Fachdienste“ hat das Unterstützungsangebot für Eltern mit einer Behinderung bedarfsgerecht auszubauen.

Nach Verhandlungen mit dem Bezirk und dem zuständigen Jugendamt wurde über die KJF Augsburg eine Wohnung in Offingen angemietet, in die im Oktober 2020 bereits die erste Mutter mit ihrem Kind als „Begleitete Elternschaft“ einziehen konnte. Begleitet wurde sie dort mit einem Deputat von 20 Fachleistungsstunden in der Woche durch eine Fachkraft aus der Mutter-Kind-Einrichtung.

Die Hilfe für diese jungen Familien als „Begleitete Elternschaft“ liegt in der (leistungs)rechtlichen Schnittmenge zwischen Eingliederungshilfe und Jugendhilfe; sie ist sowohl Ambulante Begleitung der Erwachsenen (Eingliederungshilfe) als auch Sozialpädagogische Familienhilfe (Kinder- und Jugendhilfe) aus einer Hand.

Hilfe zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung

Das Angebot „Begleitete Elternschaft“ richtet sich an Mütter und/oder Väter mit geistiger oder psychischer Beeinträchtigung und Lernbehinderung, um diese in ihrer Elternschaft und -rolle zu beraten, zu begleiten und zu unterstützen mit dem Ziel einer größtmöglichen eigenverantwortlichen Lebensgestaltung als Familie. Im Fokus der Begleitung stehen dabei die Sicherstellung des Kindeswohls und die Entwicklung des Kindes bzw. der Kinder.
Das Angebot soll als individuelle Begleitung und Unterstützung der Familie in ihrer spezifischen Situation die Mütter und/oder Väter befähigen, ihr Leben sowie die Pflege und Erziehung der Kinder gleichermaßen zu bewältigen. Dabei kommt dem Vorbeugen von Überforderungssituationen und Folgen aus erzieherischen Fehlleistungen aufgrund der geistigen Behinderung der Eltern eine durchgängig hohe Bedeutung zu. „Maßgeblich sind immer das Wohlergehen, die Entwicklung sowie gegebenenfalls die spezifische Förderung des Kindes beziehungsweise der Kinder. Anleitungen zur Versorgung und Förderung der Kinder sind uns dabei genauso wichtig wie die unterstützende Begleitung einer liebevollen Eltern-Kind-Beziehung“, erklärt Indes Lindel, Gruppenleitung „Begleitete Elternschaft“.
„Jeder Mensch hat ein Recht auf selbstbestimmte Sexualität, Partnerschaft und Elternschaft. Jeder junge Elternteil, egal ob mit Behinderung oder ohne, der Verantwortung für sein Kind übernehmen will und erlernen kann, soll die Hilfe erfahren, die er braucht. Das sind soll einen Platz findet, an dem es willkommen ist, sich angenommen fühlt und sich gut entwickeln kann.“

Weiterentwicklung des Konzepts

Mittlerweile werden drei Mütter mit ihren Kindern von verschiedenen Fachkräften des Teams der „Begleiteten Elternschaft“ in angemieteten Wohnungen in Offingen betreut. Bei einem Treffen im Herbst 2022 wurde die Konzeption des Angebots mit Vertretern des Bezirks abgestimmt. Nach weiteren Abstimmungen zwischen den schwäbischen Jugendämtern und dem Bezirk Schwaben sowie deren Freigabe, soll das praxiserprobte Konzept weiter ausgebaut werden. Auch in Planung ist die Eröffnung eines weiteren Hauses in Günzburg mit mehreren Wohneinheiten.

Iris Egger, Erziehungsleitung im Fachbereich „Wohnen/Tagesbetreuung/Fachdienste“ im KJF BBJZ Sankt Nikolaus, ist für die Konzeption und Umsetzung der „Begleiteten Elternschaft“ zuständig. Sie ist stolz auf dieses individuelle Begleitungs- und Unterstützungsangebot. „Es liegt mir und der Einrichtung am Herzen, allen Menschen gleichermaßen zu ermöglichen, ihr Leben unabhängig von persönlichen Beeinträchtigungen möglichst eigenständig gestalten zu können und dabei die Unterstützung zu erhalten, die sie benötigen.“